Aufbruch - anders besser leben

Wissen
Spiritualität

Spiritualität im „Aufbruch“

Eine Anregung zum Gespräch

Spiritualität als Thema bedarf der Erläuterung, sogar der Begründung. Ist nicht Spiritualität etwas so Persönliches, Intimes, dass dazu nichts Gemeinsames gesagt werden kann? Und ist Spiritualität nicht etwas so Sensibles, Unfassbares, dass sich jedes darüber Reden verbietet? Jedenfalls haben insbesondere Mystikerinnen und Mystiker aller Zeiten immer wieder davor gewarnt, spirituelle Erfahrungen in Begriffe und Vorstellungen zwingen zu wollen – und haben immer wieder wortreich gerade darüber geredet. Für uns Heutige kommt hinzu, dass das Wort ‚Spiritualität‘ ein Modewort geworden ist, diffus, belastet, missverständlich. Wer es gebraucht, muss also zumindest versuchen zu erläutern, warum er davon spricht und was er oder sie darunter versteht. Der folgende Text ist ein solcher, unvermeidlich vorläufiger Versuch für das weitere Gespräch darüber in der Initiative „Aufbruch – anders besser leben“.

Warum ist uns Spiritualität wichtig?

Wir sind überzeugt davon, dass die geistige Wurzel der Krisen unserer Gesellschaft, ja der heutigen, lebensgefährdenden Weltsituation der weltanschauliche und alltägliche Materialismus ist. Das persönliche wie gesellschaftliche Immer-mehr-haben-Wollen von Gütern, Dienstleistungen, Einkommen, Vermögen und gesamtwirtschaftlicher Produktion ist die treibende Kraft der weltweiten ökologischen, ökonomischen und sozialen Krisen. Und es ist zugleich die entscheidende Barriere für alle Lösungsversuche. Deshalb glauben wir, dass nur eine Neubesinnung auf tiefer liegende geistige Quellen, die in der Zeit der Moderne verschüttet wurden, uns die Orientierung und die Kraft zum Aufbruch in eine neue Epoche der menschlichen Kultur geben wird. Insofern sind wir zuversichtlich, dass spirituelle Erfahrungen uns nicht von gesellschaftlichem Engagement ablenken, sondern im Gegenteil darin stärken werden.

Wir suchen eine zeitgemäße Spiritualität, weil die meisten der heutigen Religionen historisch belastet und institutionell starr geworden sind. Gleichzeitig schätzen wir den Reichtum religiöser Traditionen, unserer jüdisch-christlichen wie auch anderer Religionen, insbesondere jener Mystik, die in der Mitte zwischen allen Religionen zu finden ist. Wir erhoffen so etwas wie eine transreligiöse Spiritualität, d.h. eine Spiritualität, die zwar von spezifischen Religionen gespeist und gefärbt ist, die aber deren Grenzen überschreitet in einen vor uns liegenden gemeinsamen geistigen Raum der Menschheit.

Welche Inhalte verbinden wir mit Spiritualität?

Natürlich gibt es in der „Aufbruch“-Initiative Menschen mit einer Fülle verschiedener geistiger Orientierungen, und keine bestimmte könnte verbindlich für alle werden. Aber im Folgenden werden einige Grundgedanken und existentielle Erfahrungen genannt, die zur Herausbildung einer gemeinsamen geistig-spirituellen Grundlage unseres Engagements führen könnten; sie sollen zu entsprechenden Gesprächen anregen.

Die Überzeugung, dass alle belebten und unbelebten Seinsformen auf unserem Planeten Erde, also Menschen, Tiere, Pflanzen, Wasser, Luft und Mineralien, untereinander verbunden sind. Diese Einsicht wird mehr und mehr von den neuen, systemischen Naturwissenschaften unterstützt.
Die Ahnung davon, dass dieses umfassende Lebensnetz von einer universellen, göttlichen Energie hervorgebracht wurde, durchdrungen ist und zusammengehalten wird und dass alles Sein zu immer größerer Komplexität und Schönheit entfaltet werden soll; dass es also nur eine materiell-geistige Wirklichkeit als Ganzheit gibt - um uns und in uns.
Der Glaube, dass wir Menschen dazu befähigt und berufen sind, mit dieser göttlichen Energie in bewusste Verbindung zu treten, um von ihr inspiriert und transformiert und so auch ihr Instrument zu werden. Das berechtigt uns keineswegs zur Herrschaft über die Natur, motiviert uns vielmehr, dem Netz des Lebens unserem Wesen gemäß zu dienen wie Nervenzellen in einem Organismus.
Die Gewissheit, dass durch Werte wie Ehrfurcht vor allem Leben, Dankbarkeit für das Leben, Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit, Wahrhaftigkeit, Versöhnungsbereitschaft, Mitgefühl, Toleranz und Achtsamkeit in allen Situationen unser Handeln Motivation und Richtung erhält, um solcher Spiritualität zu entsprechen.
Die Erfahrung, dass Glück und Sinn gerade in nicht-materiellen Werten wie Liebe, Freude, Zufriedenheit, Schönheit zu finden sind.

Welche Formen von Spiritualität könnten wir praktizieren?

Bei Versuchen, solcher Spiritualität Ausdruck zu geben, wollen wir einerseits darauf achten, niemanden zu irritieren, und andererseits offen sein für Experimente, damit wir für uns passende Formen und Möglichkeiten der spirituellen ‚Ernährung‘ finden können.

Dabei können z.B. folgende Elemente eine Rolle spielen:

Eine räumliche Mitte mit einem dekorativen Tuch, einer Kerze und Blumen, eventuell einer Klangschale und einem Sprechstein. Zu Beginn und zum Schluss eines Zusammenseins kann ein schweigender Händekreis unseren Zusammenhalt ausdrücken (vgl. Handbuch „Genuss und Nachhaltigkeit“ S. 178f)
Der direkte Kontakt mit der Natur, intensiviert durch geeignete Übungen (Deep Ecology, Geomantie o.ä.)
Momente oder längere Phasen der Stille, der Sammlung und des Lauschens nach innen
Gemeinsames Singen einfacher Gesänge (z.B. aus Taize, Plum Village oder geeignete Kanons)
Meditative Kreistänze
Übungen mit Yoga, Qigong, Eurythmie o.ä.
Spirituelle Texte, Gebete und Rituale aus verschiedenen Traditionen oder zeitgenössischer Spiritualität (jede/r bringt einmal etwas ein)
Geleitete Meditationen oder Phantasiereisen
Für Einzelne oder Familien empfehlen wir, sich Zeiten und Räume der Stille zu schaffen und so für Abstand von der alltäglichen Reizüberflutung, von Hektik und Stress zu sorgen.

Alles, was uns hilft, Körper, Geist und Seele wieder in ihren ursprünglichen Einklang zu bringen, ist spirituell und hilft uns, in eine zukunftsfähige Lebensweise aufzubrechen.
Möge der GEIST wehen, wo und wie er will !


Wir möchten hiermit zu regem Gespräch und Erfahrungsaustausch über eine Spiritualität im „Aufbruch“ anregen und werden uns über jedes Echo freuen

Gerhard Breidenstein

Literaturempfehlung

Mystische Spiritualität inmitten unserer Welt

Brennende Kerze im Sturm, Gerhard Breidenstein, ISBN: 978-3880953055 (2016)

Woher kommt das Gute, woher das Böse? Was kann mystische Spiritualität zum Leid in der Welt sagen? Der Autor stellt sich diesen und weiteren Fragen und gibt existenzielle Antworten.

www.booklooker.de/isbn=9783880953055

Dialogpartner

www.aufbruch-anders-besser-leben.de
09.12.2024
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